Die Spannung war groß, die Erwartungen hoch – und diesmal hat alles geklappt: Mit der zehnten Testmission des Starship-Programms hat SpaceX erstmals sämtliche Missionsziele erreicht. Acht Dummysatelliten wurden in eine Umlaufbahn gebracht, der Super Heavy-Booster trennte sich planmäßig und stürzte kontrolliert in den Golf von Mexiko, während das Starship selbst nach einem einstündigen Flug im Indischen Ozean niederkam.
Es war der erste vollständig erfolgreiche Testflug eines Raumfahrzeugs, das die Zukunft der Raumfahrt grundlegend verändern könnte.
Ein schwieriger Weg zum Erfolg
Seit der Erstvorstellung von Starship im Jahr 2016 verfolgt SpaceX das Ziel, ein vollständig wiederverwendbares, extrem leistungsstarkes Raumfahrtsystem zu entwickeln. Doch der Weg dorthin war von Rückschlägen geprägt.
- Die frühen Tests (2020-2021): Erste Prototypen wie SN8, SN9 oder SN10 explodierten spektakulär bei Landungsversuchen. Sie zeigten zwar Fortschritte, unterstrichen aber auch die enorme technische Herausforderung.
- Die Super-Heavy-Ära (ab 2023): Mit den ersten Starts von Starship samt Booster erweiterte sich das Testfeld dramatisch. Explosionen beim Start, Probleme mit der Trennung der Stufen und brennende Triebwerke sorgten weltweit für Schlagzeilen.
- Die siebte und achte Mission (2024): Beide endeten mit Explosionen der zweiten Stufe, noch bevor eine Umlaufbahn erreicht wurde.
- Die neunte Mission (Frühjahr 2025): Hier gelang zwar der Eintritt ins All, doch die Nutzlast konnte nicht wie vorgesehen getrennt werden – ein Teilerfolg, aber kein Durchbruch.
- Juni 2025: Kurz vor dem geplanten zehnten Flug kam es zu einer Explosion am Boden. Eine bittere Erinnerung daran, dass Starship ein Hochrisikoprojekt bleibt.
Mit der nunmehr zehnten Mission wurde das Narrativ jedoch umgeschrieben: Erstmals konnte SpaceX nicht nur starten, sondern auch alle geplanten Schritte der Mission erfolgreich durchführen.
Der Ablauf der Mission
Am Dienstag, 26. August, um 18:30 Uhr Ortszeit startete die Super Heavy-Boosterstufe von der Starbase in Boca Chica, Texas.
- Nach drei Minuten trennte sich die erste Stufe und leitete die Rückkehr ein. Statt den komplizierten Fangversuch mit den sogenannten „Chopsticks“ der Startturmarme zu riskieren, ließ SpaceX den Booster kontrolliert im Golf von Mexiko niedergehen.
- Die zweite Stufe setzte den Flug fort und erreichte eine stabile Erdumlaufbahn. Dort trennte sie acht Dummysatelliten erfolgreich aus – ein wichtiger Test für künftige Nutzlastmissionen.
- Anschließend wurden die Raptor-Triebwerke erneut gezündet, um den Wiedereintritt einzuleiten. Währenddessen sammelte das Raumschiff Daten über das Verhalten von Struktur und Hitzeschild unter Extrembedingungen.
- Nach rund einer Stunde endete die Mission mit dem geplanten Absturz im Indischen Ozean.
Technische Neuerungen
SpaceX hatte nach den Fehlschlägen der vergangenen Jahre umfangreiche Änderungen am System vorgenommen:
- Booster-Design: Verbesserungen an der Treibstoffzufuhr und am Schubvektor sollen die Stabilität beim Start erhöhen.
- Starship-Struktur: Der Hitzeschild wurde überarbeitet, nachdem frühere Flüge Schwächen beim Wiedereintritt gezeigt hatten.
- Software: Neue Steuerungsalgorithmen sollen die Stufentrennung robuster und präziser machen.
Darüber hinaus nutzte SpaceX den Flug, um Experimente mit dem Kippen der Booster-Stufe und verschiedenen Motorenkonfigurationen durchzuführen. Das Sammeln solcher Daten ist für den langfristigen Betrieb entscheidend.
Warum dieser Erfolg so wichtig ist
Starship ist mehr als nur ein weiteres Raketenprojekt. Für SpaceX und Gründer Elon Musk ist es das Herzstück einer Vision: Menschen zum Mond und später zum Mars zu bringen – und Raumfahrt so günstig zu machen, dass interplanetare Missionen wirtschaftlich möglich werden.
- Nutzlastkapazität: Starship kann bis zu 150 Tonnen in den Orbit bringen – mehr als doppelt so viel wie die bisherige Spitzenklasse, die Saturn V oder die SLS der NASA.
- Wiederverwendbarkeit: Langfristig sollen sowohl Booster als auch Oberstufe wie Flugzeuge wiederverwendet werden können. Das könnte die Startkosten um ein Vielfaches senken.
- Skalierbarkeit: Mit Starship könnten komplette Satellitenkonstellationen in nur wenigen Flügen aufgebaut werden – etwa für das eigene Starlink-Projekt.
Der erfolgreiche zehnte Flug zeigt erstmals, dass diese Ziele nicht nur theoretisch erreichbar sind, sondern auch praktisch in greifbare Nähe rücken.
Reaktionen von NASA und ESA
Auch internationale Raumfahrtorganisationen blicken gespannt auf SpaceX.
Die NASA hat Starship bereits für ihr Artemis-Programm eingeplant. Das Raumschiff soll als Lander dienen, um Astronauten von der Mondumlaufbahn auf die Oberfläche zu bringen. Nach den bisherigen Rückschlägen war die Unsicherheit groß, ob SpaceX den ambitionierten Zeitplan einhalten könnte. Mit dem jüngsten Erfolg steigt nun das Vertrauen, dass Starship rechtzeitig einsatzbereit sein wird.
Von der ESA kommen gemischte Signale. Einerseits begrüßen europäische Raumfahrtvertreter den Fortschritt, weil er neue Kooperationsmöglichkeiten eröffnet. Andererseits wächst die Sorge, dass Europa im globalen Wettbewerb weiter zurückfällt. Während SpaceX mit wiederverwendbaren Megaraketen operiert, arbeitet Europa noch immer an klassischen Einweg-Trägern wie der Ariane 6.
Ein ESA-Insider fasste es kürzlich so zusammen: „Wenn Starship wie geplant funktioniert, verändert das die Raumfahrtökonomie fundamental. Europa muss sich darauf einstellen, sonst wird es abgehängt.“
Starship im Wettbewerb der Raumfahrt
Der Erfolg der zehnten Mission ist auch geopolitisch relevant.
- China arbeitet an einem eigenen Schwerlastsystem, der Langer Marsch 9, das allerdings erst gegen Ende des Jahrzehnts starten soll.
- Russland kämpft mit Rückschlägen und Finanzierungsproblemen, ist aber mit Projekten wie Angara oder Yenisei ebenfalls im Rennen.
- Private Anbieter wie Blue Origin entwickeln mit New Glenn eine Konkurrenzplattform, die aber noch nicht gestartet ist.
SpaceX liegt nun mindestens mehrere Jahre vor seinen Konkurrenten. Das verschafft dem Unternehmen nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch politischen Einfluss: Wer die leistungsfähigste Rakete kontrolliert, hat einen entscheidenden Hebel im weltweiten Raumfahrtmarkt.
Risiken und offene Fragen
Trotz des Erfolgs bleibt Starship ein Hochrisikoprojekt. Noch ist das Raumschiff nicht wiederverwendbar im eigentlichen Sinne: Sowohl Booster als auch Oberstufe wurden bei diesem Test geopfert. Erst wenn die Rückholung und Wiederverwendung regelmäßig gelingt, kann das Projekt seine eigentliche Stärke ausspielen.
Weitere offene Fragen:
- Wie zuverlässig ist das Hitzeschild bei wiederholtem Wiedereintritt?
- Lassen sich die Chopstick-Manöver zur Booster-Rückholung sicher realisieren?
- Wie hoch sind die realen Betriebskosten, wenn Starship regelmäßig eingesetzt wird?
Experten betonen daher: Der zehnte Flug ist ein großer Schritt – aber noch nicht der endgültige Durchbruch.
Historischer Vergleich
Viele Beobachter ziehen Parallelen zur Apollo-Ära: Auch damals waren zahlreiche Rückschläge nötig, bevor die Saturn V zuverlässig flog. Starship könnte nun eine ähnliche Rolle in der modernen Raumfahrt einnehmen – nicht als nationales Prestigeprojekt, sondern als privatwirtschaftliches System mit globaler Bedeutung.
Im Unterschied zu den 1960er-Jahren geht es heute jedoch nicht mehr allein um Exploration, sondern auch um handfeste wirtschaftliche Interessen: Kommunikation, Transport, Rohstoffe und langfristig vielleicht sogar Industrieproduktion im All.
Ausblick: Der Weg nach vorn
SpaceX plant bereits die nächsten Flüge. In den kommenden Missionen sollen unter anderem:
- die Rückholung des Boosters mit den Startturmarmsystemen getestet werden,
- die Wiederverwendbarkeit von Starship demonstriert werden,
- und erste kommerzielle Nutzlasten an Bord sein.
Elon Musk hat mehrfach betont, dass es regelmäßiger Starts bedarf, um Starship zu einem „Alltagsvehikel“ der Raumfahrt zu machen. Der nun erreichte Erfolg markiert den Beginn dieser Phase: Statt seltener, riskanter Testflüge sollen bald monatliche Missionen stattfinden.
Schlussbetrachtung
Der zehnte Testflug von Starship ist mehr als nur ein technischer Erfolg für SpaceX. Er ist ein Meilenstein für die gesamte Raumfahrtindustrie. Zum ersten Mal hat das größte Raketenprojekt der Geschichte gezeigt, dass es wie geplant funktionieren kann – vom Start über die Nutzlastaussetzung bis zur kontrollierten Rückkehr.
Für SpaceX ist dies die Bestätigung, dass Jahre voller Rückschläge und Experimente nicht umsonst waren. Für die NASA ist es ein Schritt hin zur bemannten Mondlandung. Und für die Welt ist es ein Signal, dass die nächste Ära der Raumfahrt begonnen hat.
Ob Starship letztlich den Weg zum Mars ebnet oder „nur“ die Satellitenlogistik revolutioniert – nach diesem Flug steht fest: Die Zukunft der Raumfahrt wird nicht mehr dieselbe sein.